Dr. Hartmut Jentsch Dresden, 1. 10. 2020
Dr. Artur Pech
Dr. Rolf Ziegenbein


Herrn
Christhard Läpple
ZDF – Redaktion Mainz


Sehr geehrter Herr Läpple,

mit Interesse haben wir als ehemalige Angehörige der Grenztruppen der DDR und damit als Zeitzeugen

Ihre Dokumentation mit dem Titel „Am Todesstreifen...“ im ZDF gesehen. Dem Rückblick von Zeitzeugen

auf ihre Dienstzeit Gehör zu verschaffen ist auch nach unserer Auffassung ein unterstützenswertes

Anliegen.

Dennoch empfinden wir die Dokumentation als einseitig, von Halbwahrheiten durchzogen und damit

tendenziös. Die Absicht wird schon mit dem Titel deutlich. Ziemlich am Anfang wird die Frage aufgeworfen

(nicht durch Zeitzeugen, sondern redaktionell), ob die Angehörigen der Grenztruppen Mörder gewesen

seien. Sie lassen Herrn Dr. Peter Joachim Lapp, mit dem wir gut bekannt sind, diese Frage beantworten.

Er sagt sinngemäß: „Nein Mörder waren sie nicht, aber Totschläger.“ Das bleibt unkommentiert so

stehen. Sie geben an, dass 500 000 DDR – Bürger in den Grenztruppen gedient hätten. Dann waren

das eine halbe Million potentielle Totschläger. Sind Sie sich in Klaren, dass das eine ungeheuerliche

Aussage ist? Wir können gar nicht glauben, dass Dr. Lapp das einschränkungslos so gesagt hat. Wir wissen

nicht, was und wie geschnitten wurde.

Im Text wird von eine Lizenz zum Töten gesprochen und Schießbefehl und Schusswaffengebrauchs-

bestimmung werden in einem Atemzug genannt. Wir haben uns als Angehörige der Grenztruppen schon

im aktiven Dienst für eine Abkehr von der Militarisierung des Dienstes im Frieden eingesetzt, was

Dr. Lapp in seinem Buch „Grenzregime der DDR“ (2013) auf S. 548 ff dokumentierte und bewertete.

Seit langem vertreten wir die Auffassung, dass eine juristische Untersuchung jeder Schusswaffenanwendung

bereits in der DDR notwendig gewesen wäre. Leider ist das nicht erfolgt. Eine pauschale Lizenz zum

Töten wurde dennoch nicht erteilt. Wenn Sie erneut die Bestimmungen zum Gebrauch der Schusswaffe

mit einem Schießbefehl gleichsetzen, so ist das irreführend.

In der Dokumentation gibt es auch sachliche Fehler bei Angaben von Truppenteilen und Zahlen.

Die Aussage, dass noch immer 30 000 Landminen im Grenzstreifen, also im jetzigen „Grünen Band“

unentdeckt lägen, soll wohl primär den Zuschauer ängstigen.

Ihre Dokumentation ist auch insofern einseitig, als sie die damaligen Verhältnisse des Kalten Krieges

und die Konfrontation der Militärblöcke an dieser Grenze unbeachtet lässt. Die Zeitzeugen werden dazu

auch nicht befragt. Gerade die für den Gefechtsfall zugewiesenen Aufgaben hatten aber nachteilige

Rückwirkungen auf die Militarisierung der Grenztruppen für die Aufgabenerfüllung im Frieden.

Der Herstellung der in diesen Tagen so viel beschworenen inneren Einheit Deutschlands dient diese

Dokumentation sicher nicht. Als Beitrag dazu war sie aber wohl auch nicht gedacht. Es ist zu bedauern,

dass sie so mehrfach gesendet wird.

Mit freundlichem Gruß!

Dr. Hartmut Jentsch
Dr. Artur Pech
Dr. Rolf Ziegenbein als Ansprechpartner
Prießnitzstr. 36
01099 Dresden

 


Stellungnahme der AG Grenze zum Brief an das ZDF
Prinzipiell unterstützen wir, dass sich die Autoren dieses Briefes gegen die Halbwahrheiten im Bericht

des ZDF wenden. Aus unserer Sicht ist es aber unbedingt erforderlich gegen solche Aussagen wie

„Todesstreifen“ und die „Angehörigen der Grenztruppen seien Mörder gewesen“ energischer

aufzutreten. Hier wäre es besser gewesen, eine eigene Meinung, anstelle der Aussage von Herrn Lapp,

darzulegen.

Wie jeder weiß, war die Staatsgrenze der DDR zur BRD auch gleichzeitig die Konfrontationslinie

Warschauer Vertrag – NATO. Hier sei auch auf das Buch von Heinz Kessler und Fritz Streletz

„Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben“ verwiesen.

Ebenfalls fehlt eine klare Aussage zum Begriff „Todesstreifen“. Von ehemaligen Offizieren der Grenztruppen

der DDR hätten wir uns eine klare Distanzierung von dieser Aussage gewünscht. Gleiches gilt für die

Problematik des Schusswaffengebrauchs. Es gab bei den Grenztruppen, wie in den meisten Armeen,

eindeutige Schusswaffengebrauchsbestimmungen und keinen „Schießbefehl“!