Buchbesprechung von Horst Liebig


 „Offiziershochschule 'Rosa Luxemburg'Kaderschmiede der DDR-Grenztruppen“

Autor: Peter Joachim Lapp

 

Unter dem oben genannten Titel – auf dem Einband - des vor kurzem erschienen Buches ein Kreis in Grenzergrün gehalten, mit dem Staatsemblem der DDR in Farbe. Das könnte auch in der DDR publiziert worden sein?

Mitnichten; Erscheinungsdatum, Frühjahr 2014 in der BRD.

Schon das letzte Buch (2013) „Grenzregime der DDR“, vom selben Autor, war der Einband ganz in Grenzergrün gestaltet und darunter ein großes, farbiges Staatsemblem der DDR. Kommen hier Autor und Verlag nicht mit dem Vorhaben eines Hubertus Knabe in Widerstreit, der verbissen anstrebt, solche Embleme verbieten zu lassen?

Was bezwecken Verlag und Autor damit?
Diese knalligen Aufmachungen sollen wohl die Aufmerksamkeit von Käufern und Lesern wecken. Oder – ist es etwa ein Zeichen einer weiteren Versachlichung der Publikationen vom Autor Peter Joachim Lapp?

Seine früheren Bücher folgen mehr oder weniger dem Duktus des Kalten Krieges.

Beim „Grenzregime der DDR“ überwogen sachliche Darstellungen, obwohl manche Sachverhalte nach wie vor dem Geist des unsäglichen Kalten Krieges verschrieben sind.

Bei der Buchvorstellung „Grenzregime der DDR“ 2013 in Dresden meinte der Autor: Er befinde sich jetzt in einem Alter „jenseits von Gut und Böse“ und ließ dabei aber offen, ob bestimmte Rücksichtnahmen bei ihm keine Rolle mehr spielen. Oder?

Trotz allem bestehen nach wie vor diametrale, wenn nicht gar antagonistische Standpunkte zwischen dem Rezensenten und dem Autor. Das betrifft die „Innerdeutsche Grenze“, den Schusswaffengebrauch an der Staatsgrenze der DDR und andere gravierende Probleme zu den Grenztruppen und dem Grenzregime der DDR.

Bezugnehmend auf eine Buchbesprechung zum „Grenzregime der DDR“ (http://grenztruppen-ddr.de/) schrieb Herr Lapp: „Deshalb werde ich Ihre – m. E. - politisch bestimmten/gefärbten Beurteilungen (z.B. 'innerdeutsche Grenze'/ DL etc.) nicht kommentieren oder beantworten. Da kommen wir in diesem Leben nicht mehr zusammen. Ich versteh ihre Einstellung, kann sie aber mir nicht zu eigen machen. Da kommt der 'Nationalneutralist', der nie zwei deutsche Staaten wollte,durch... Ansonsten: Heute würde ich einige Passagen anders schreiben/formulieren, da ich selbst im Alter von 72 Jahren noch begrenzt lernfähig bin.“

 

Nun zum neuen Buch:

Peter Joachim Lapp, Diplom-Sozialwirt, Diplom-Politologe. Dr. rer. pol. nennt im Klappentext Gründe für das Erscheinen seines neuen Buches: „Seit dem Untergang der DDR haben höhere und hohe Offiziere der Nationalen Volksarmee über die Offiziershochschulen ihrer Teilstreitkräfte mehrere Publikationen vorgelegt. Eine Veröffentlichung über die Offiziershochschule der DDR-Grenztruppen fehlt bis heute.“ Warum?

„Es liegt nahe, ein Vierteljahrhundert nach dem Mauer- und Grenzfall eine Arbeit über diese vorzulegen.

Diese Schrift erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern will aus der kritischen, subjektiven Sicht eines Westdeutdeutschen mit 'Osterfahrung' die Ausbildung und Erziehung 'sozialistischer Grenzoffiziere' an der Offiziershochschule (OHS) Plauen und Suhl aufzeigen und bewerten.

Dazu wurden Dokumente und Unterlagen des Bundesarchivs (Abteilung Militärarchiv) und der Stasi - Unterlagenbehörde sowie Veröffentlichungen der DDR-Grenztruppen (einschließlich der Schriftenreihe der OHS) ausgewertet. Außerdem konnte auf Arbeiten und Erlebnisberichte ehemaliger Offiziersschüler und früherer Lehrkräfte, darunter auf eine längere, bislang unveröffentlichte Studie eines Ex- Vizekommandeurs der OHS zurückgegriffen werden.“

Eingangs des Buches steht ein Zitat von Rosa Luxemburg:

„Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt.“

Ein Schelm, wer Arges dabei denkt!

Das Politorgan und die SED-Parteiorganisation der OHS war nach ihrem Selbstverändnis bestrebt, Lehren und Erkenntnisse von Rosa Luxemburg zum Inhalt des gesamten Erziehungs- und Bildungsprozesses der Offiziersschüler zu machen. Das zum einen.

Zum anderen blendete man aber Aussagen von ihr, die dem damaligen Oberen der SED weniger oder gar nicht genehm waren, aus. Das betraf Luxemburgs Kritik zur Politik Lenins in Russland.

Die betreffenden Passagen in Rosa Luxemburgs Schriften thematisierte man in den Lehrveranstaltungen der Sektion Gesellschaftswissenschaften aber nicht. Obwohl in der umfangreichen Bibliothek der Schule alle Werke von Rosa Luxemburg standen und jedermann Zugriff darauf hatte.

Bei dieser Publikation von Lapp handelt es sich um ein fundiertes Sachbuch.

Der Inhalt stützt sich auf eine sorgfältige Auswertung obengenannter Dokumente und Unterlagen. Der sachlich verfasste Text fußt auf rund 150 Quellen. Die übergroße Mehrheit der Quellen basiert auf offiziellen Materialien der DDR und ihrer Grenztruppen und auf „Geheime oder Vertrauliche Verschlusssachen“ der Ministerien für Nationale Verteidigung und Staatssicherheit sowie des Kommandos der Grenztruppen und der OHS.

Nach Ansicht des Rezensenten spielt eine tragende Rolle des Inhalts dieses Buches die bislang nicht veröffentlichte umfangreiche Studie von Oberst a.D. Dr. Rolf Ziegenbein, der immerhin 17 Jahre an der OHS als Lehrstuhlleiter Taktik, als Stellvertreter des Sektionskommandeurs für Ausbildung und schließlich ab 1987 als Stellvertreter des Kommandeurs der OHS für Ausbildung und Forschung (nicht Vizekommandeur) tätig war.
Dafür spricht: 36 mal nimmt der Autor Bezug auf Erkenntnisse, Erfahrungen und solides Wissen von Rolf Ziegenbein.
Gleichermaßen nennt Lapp rund 25 mal als Quelle die Dissertation A des Oberstleutnants a. D., Diplomgesellschaftswissenschaftler Klaus Barg., ebenfalls an der OHS tätig.

Bemerkenswert ist – und das ist neu - dass von ca. 150 angegebener Quellen nur etwa ein Dutzend westlicher Provenienz ist. Alle anderen sind DDR-Quellen!

Das Buch widmet sich gewissenhaft den Ausbildungsprofilen- und angeboten. Das reicht von der Ausbildung künftiger Grenzkommandeure, Politoffziere, der Fähnrichausbildung, Offiziere auf Zeit, Weiterbildungsangebote bis hin zur Ausbildung ausländischer Militärkader befreundeter Staaten.
Es wird die Geschichte - einschließlich der Vorgänger – der OHS, die Gründung, Namensgebung und der Hochschulstatus behandelt.

Exakte und präzise Tabellen geben Auskunft über Strukturen, Lehrkörper und materielle Basis. Die Ausbildungsarten und Erziehungsziele einschließlich von Widersprüchen und Meinungsverschiedenheiten im Ausbildungsprozess, nimmt der Autor kritisch unter die Lupe und stützt sich dabei weitgehend auf Meinungen von Lehrkräften und den Stellungnahmen leitender hoher Offiziere einschließlich des Kommandeurs der OHS.

Einen verhältnismäßigen breiten Raum – Seite 58 bis 73 - nimmt die Arbeit der Unterabteilung der Hauptabteilung I des MfS an der OHS ein. Nach Meinung des Renzensenten bedient hier Lapp unverhohlen den Zeitgeist.

Es muss hier eindeutig festgehalten werden:

Die Offiziershochschule der Grenztruppen der DDR war ein wichtige und die einzige Ausbildungsstätte zur Heranbildung junger Grenzoffiziere und deshalb auch für die Perspektive maßgebend. Sie bildete gemäß der Gewährleistung der inneren Sicherheit und der militärischen Landesverteidigung die Führungskader der Grenztruppen – einem bedeutenden Sicherheits- und Schutzorgan der DDR - heran.

Da lag es doch wohl auf der Hand , dass solch eine Institution zur kadermäßigen Absicherung der Offziersschüler, der Verhinderung des Einschleichens feindlicher Elemente, zur Abwehr von Spionage und Sabotage eines Sicherheitsorgans bedurfte, dass sich auf diese Arbeit konzentrierte. Auch die Bearbeitung, Aufklärung und Untersuchung schwerer Militärstraftaten und besonderer Vorkommnissen wie Fahnenflucht, Verrat militärischer Geheimnisse und Beschädigung von Kampftechnik gehörte zu den Aufgaben der Unterabteilung des MfS an der OHS.

Die an der OHS herangebildeten Grenzoffiziere waren vorgesehen in einem hoch sensibilisierten Sicherheitsorgan ihren Dienst zu tun.

Da spielten schon unbedingte Zuverlässigkeit, Treue zur Partei und dem Staat eine eminente Rolle und wenn notwendig, galt es auch auch das Leben einzusetzen.
Der Autor schreibt auf Seite 58: „Während des Kalten Krieges und der deutschen Teilung waren Abwehrmaßnahmen gegen den Gegner in den DDR-Streitkräften verständlich, jede Armee der Welt versucht sich gegen Spionage und Unterwanderung zu schützen. In den Staaten des Warschauer Vertrages entarteten diese Aktivitäten allerdings zu einem völlig überzogenen Schutz- und Sicherheitsdenken in allen Bereichen.“

Bis auf den letzten Satz ist dem zu zustimmen. Gewiss gab es dabei auch überzogenes „Schutz- und Sicherheitsdenken“. Das aber insgesamt zu Verallgemeinern, hält der Rezensenten für falsch.

Lapp hält außen vor oder ignoriert hier bewusst, dass die DDR vom Anfang an ihres Bestehens Zielobjekt zahlreicher westlicher Geheimdienste war. Besonders standen im Fokus westlicher militärischer Aufklärung und Spionage die bewaffneten Organe der DDR, dazu gehörten die Deutsche Grenzpolizei und die Grenztruppen der DDR.

Um dieses zu erreichen, betrieb der Bundesnachrichtendienst einen hohen personellen und finanziellen Aufwand. Vor allem US-Geheimdienste interessierten sich für NVA und Grenztruppen, von anderen subversiven obskuren Gruppen, Vereinen und Institutionen wie, „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“, „Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen“ ganz zu schweigen.

Bei der Beurteilung der Arbeit der Unterabteilung MfS an der OHS begibt sich Lapp auf eine unnötig niedrige Ebene, die der teilweisen Sachlichkeit des Buches nicht dient, sonder eher schadet.

Dem Autor, der die Mitarbeiter des MfS, gemeint sind hier die Inoffziellen Mitarbeiter (IM) und die Gesellschaftlichen Mitarbeiter für Sicherheit des MfS (GMS) oft herabwürdigend „Spitzel“ nennt, muss in diesem Kontext die Frage gestellt werden: Wie bezeichnet er eigentlich die geheimen Mitarbeiter von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und des Militärischen Abwehrdienstes der BRD? Auch als Spitzel?

Warum aber denunziert der Autor die IM und GMS als Spitzel?

Man findet Worte wie „Filtrierung“, Einsatz von „Spitzeln“, „effektives Spitzelsystem“, „Überwachungssystem“, „Mielke-Imperium“. Die MfS-Offiziere der Unterabteilung würden die Offiziersschüler mit ihrer Werbung für die Mitarbeit „behelligen“.

Es existierte eine Konzeption für die Außensicherung durch das MfS für die OHS. „Die 'Konzeption' unterstellte , dass die OHS unter verstärkter Beobachtung westlicher Geheimdienste stehe.“ Wieso „unterstellen“?

In der täglichen Praxis zeigte sich, westliche Dienste beobachteten tatsächlich die OHS und registrierten von außen jede Bewegung und Veränderung. Diese Dienste nannten das “Standortüberwachung“.

Der Rezensent stellt kritisch fest: Es kann nicht übersehen werden, das mit solchen und ähnlichen Formulierungen der Autor Rudimente des Denkens, das mit dem Kalten Krieg verbunden war nicht überwunden hat.

Im Kapitel „Interne Auseinandersetzungen und Reformen in den 1980er Jahren“ ( Seite 130 -137) widmet sich das Buch Gedanken, Vorschlägen und Überlegungen wie die Ausbildung von Offizieren entsprechend der veränderten militär-politischen Lage in Europa umgestaltet und angepasst werden muss .
Es ging dabei neben anderen um den Abbau der Minen an der Staatsgrenze West, die Frage , ob die auf gesetzlichen Grundlagen beruhende Anwendung der Schusswaffe noch zeitgemäß war.

Doch die gravierende Frage – die bis heute noch die Gemüter ehemaliger hoher Grenzoffiziere bewegt - waren Gedanken und Vorschläge Mitte der 80 er Jahre einiger leitender Offiziere im Kommando der Grenztruppen und der Hochschule „wie man das herrschende Grenzregime der DDR entmilitarisieren könne“. Es gab Studien und auch eine Dissertation B von Oberstleutnant a. D. Artur Pech, Politische Verwaltung und das Forschungsvorhaben 101 im Kommando der Grenztruppen.

Pech meint: „Die nach militärischen Prinzipien organisierte Sicherung geht auf eine Zeit zurück, in der unsere gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen noch nicht in Kraft und das europäische Vertragswerk über die Unverletzlichkeit der Grenzen noch nicht abgeschlossen waren. Nunmehr müssen wir derartige Praktiken in der Grenztaktik als auch die Erziehung der Kader überwinden.“

Zur Reaktion auf solche Gedanken: „Der Chef der Politischen Verwaltung hat dieses Ergebnis abgenommen und die Forschungsberichte an die Stäbe der Verbände und Lehreinrichtungen verteilen lassen.“ (Artur Pech).

Ein Teilerfolg dieser Auseinandersetzungen war. Die Empfehlung des Militärrates der Grenztruppen von 1985 die Ausbildung der Offiziersschüler im Profil „Kommandeure von Einheiten der Grenztruppen“ zu reformieren, bestätigte der Chef der Grenztruppen 1987 und ab 1991 den akademischen Grad „Diplomstaatswissenschaftler“ zu verleihen.

„Damit einher ging die Etablierung eines neuen Lehrstuhls 'Staat und Recht' in der“ Sektion Allgemeine Grundlagen der Offiziershochschule. Dieser neue Lehrstuhl sollte die „Defizite auf staats- und rechtswissenschaftlichen Gebiet abbauen.“ Solche Kenntnisse seien in der vergangenen Zeit, so die Meinung vieler Lehrkräfte, „vor allem der reformorientierten Offiziere, nur nebenbei vermittelt worden“. Dieses Kapitel nennt auch Meinungsunterschiede, die bei einer Beratung im Plenum des Wissenschaftlichen Rates der OHS im Herbst 1986 „zwischen den Reformern(Polizeifraktion) und den Konservativen (Militärfraktion)“ zutage traten.

Alle klugen Initiativen und mutigen Absichten kamen leider viel zu spät. Sie konnten den tragischen Untergang der DDR nicht mehr verhindern.

Diese Buch ist ein auf Fakten beruhendes Kompendium über die Offiziershochschule der Grenztruppen der DDR. Wer sich über diese Lehranstalt informieren will, kommt um dieses Buch nicht herum.