Betr.: Kompass 2/2019, Bericht Politische Bildung, S. 36

Dieser zweifellos interessante Bericht über das Auftreten von Dr. P-M Diestel bedarf einer Klarstellung. Die Aussage von Diestel: "Wenn es keinen Schießbefehl gab, dann waren alle Grenzer, die an der Grenze getötet haben, Mörder", ist sachlich und rechtlich nicht korrekt. Nicht nur "kurze Überlegungen", sondern gründliches Nachdenken darüber ist notwendig.

Bekanntlich sind Befehle Aufforderungen an Unterstellte zu einem bestimmten Verhalten, widerspruchslos und ohne Einschränkungen. Dem entsprachen auch die Dienstvorschriften. Sie verpflichten den Unterstellten zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen.

Mit dem Begriff "Schießbefehl", der von bundesdeutschen Gerichten juristische Grundlage war und zur öffentlichen Propaganda als Kampfbegriff genutzt wird, unterstellt man, es habe einen Befehl zum Schießen auf und Töten von Menschen gegeben. Die Tatsachen beweisen, dass es einen solchen Befehl nicht gab.

Nach Verfassung und Grenzgesetz war die Unverletzlichkeit der Grenzen der DDR zu gewährleisten. Dafür waren die geeigneten Mittel einzusetzen, die im Verhältnis zur Schwere der Grenzverletzungen und dem Widerstand standen. Auf dieser Grundlage existierten Bestimmungen über den Schusswaffengebrauch. Dort war exakt geregelt, wann und unter welchen Bedingungen und wie von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden darf. Mit einem Befehl zum Schießen hat das nichts zu tun

Nach Diestels Auffassung hätten überhaupt keine Verurteilungen erfolgen dürfen. Hunderte von Verurteilungen erfolgten aber gerade wegen eines "Schießbefehls."

Übrigens bestehen in vielen Staaten der Welt Regelungen zur Anwendung von Schusswaffen durch hoheitliches Handeln, auch in der BRD. Ähnlich geregelt, wie es in der DDR der Fall war. Das sind Befehle zum Gebrauch der Schusswaffen, aber keine "Schieß"-befehle.

Hans Bauer/Günter Leo, Oberst a.D. (GRH)