Plutarch stand Pate

                             

                                                    Buchbesprechung von Horst Liebig

                                     

                                                 

                                „Zwei deutsche Leben 1934 - 2014 Schicksale in West und Ost "                           

                                           Autoren: Karl-Heinz Kuhlmann und Otto Gereit.( 2014 )

 

Kulmann seines Zeichens ehemaliger Pastor und Theologieprofessor in der BRD und Gereit ehemaliger General der

Grenztruppen der DDR.

Eine wahrlich seltene Verknüpfung.

Im Vorwort lüftet Professor Dr. jur. Menno Aden, Präsident des Oberkirchenrates a.D. diese Verbindung:

„Der griechische Schriftsteller Plutarch (3. Jahrhundert) ist der Erfinder der Parallelbiografie. Plutarch betrachtet die beiden ihm bekannten Kulturkreise, den römischen und griechischen, und beschreibt herausragende Männer, etwa den giechischen Gesetzgeber Lykurg und vergleicht ihm mit dem altrömischen Gesetzgeber Numa, der Grieche Alkibiades wird dem wesensgleichen Römer Coriolan verglichen usw.“

Im Unterschied zu Plutarch, der „herausragende Männer beschreibt“ und sie miteinander vergleicht, schrieben hier die Autoren ihre Autobiografien.

Beide - der Pastor und der General – sind im selben Jahrgang 1934 geboren, beide stammen aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches, der eine wird „ aus Pommern vertrieben“ und der andere „flüchtet aus Ostpreußen“, beide stammen aus einfachen Verhältnissen.

Im Klappentext heißt es: „Aber beide Lebensläufe trennen sich, bis sie in diesem Buch verbunden werden.“

Kuhlmann gläubiger, praktizierender Christ wird Pastor und später Theologieprofessor, und Gereit wendet sich vom Glauben ab und bringt es bis zum General der Grenztruppen.

Beide Autobiografien beginnen mit einem kurzem Abriss der Geschichte.
Kuhlmann schreibt: “Die Niederlage des Dritten Reiches besiegelte dann das sogenannte 'Potsdamer Abkommen', das es eigentlich nie gegeben hat – es gibt nur ein 'Potsdamer Protokoll' - ,den Raub Hinterpommerns, einschließlich Stettins, durch Polen“.

Es wird vom Autor hier - dem Zeitgeist getreulich folgend - behauptet, die Polen hätten dieses Gebiet geraubt.

Keine Wort zu den Ursachen der Abtrennung dieser deutschen Gebiete, kein Wort über die Kriegsschuld des deutschen Faschismus und die furchtbaren Opfer des polnischen Volkes.

Dass die deutschen Faschisten diese Ländereien durch den von ihnen angezettelten 2. Weltkrieg verspielt hatten, bleibt einfach außen vor.

Gereit schreibt: „Der letzte Teil des Zweiten Weltkrieges brachte den schwersten und unglücklichsten Abschnitt in der langen Geschichte Ostpreußens.

1944/45 nahmen die sowjetischen Armeen das Land ein, zerstörten es weitgehend; seine Einwohner flohen, viele kamen ums Leben, wurden verschleppt und bis auf sehr wenige vertrieben.“
Das schreibt ein ehemaliger DDR-General, Absolvent der Militärakademie, Teilnehmer vieler Weiterbildungskurse an dieser Akademie, im Jahr 2014!

Die Sowjetarmee kam nicht nach Ostpreußen um das Land zu zerstören.

Die Zerstörungen waren doch Folgen des fanatischen und verzweifelten Widerstandes der zurück weichenden faschistischen Wehrmacht und des Befehls Hitlers nichts unzerstört der Sowjetarmee zu hinterlassen.

Eine weitere Folge war die Flucht der Zivilbevölkerung. Meist wurde diese von faschistischen Machthabern angeordnet.

Was das Verschleppen von deutschen Männer und Frauen an betraf, die in Arbeitslagern inhaftiert wurden, war doch den Tatsachen geschuldet, dass die deutsche Wehrmacht, die aus der UdSSR gewaltsam verjagt wurde nichts als „verbrannte Erde“- gemäß dem Hitlerbefehl - hinterließ.

 

Diese zwangsrekrutierten Frauen und Männer sollten am Wiederaufbau der Sowjetunion mit helfen.
Beide Autoren nennen auch Gewaltakte gegenüber Zivilisten vor allem Frauen. Das sind Tatsachen. Sie kann man nicht entschuldigen, aber erklären.

Es war Krieg, erbarmungsloser Krieg – ein verbissener Kampf um Leben oder Tod.

Die faschistischen Aggressoren verwüsteten das Land, brannten Städte und Dörfer nieder und ermordeten Millionen Sowjetbürger, nur weil sie Slawen oder Juden waren. Bei ihrem Rückzug hinterließen sie Tod, Elend, Hunger und Seuchen.

Nun tobte der Krieg auf deutschem Boden.

Die Sowjetsoldaten hatten an der deutschen Staatsgrenze eine Schild aufgestellt, darauf war zu lesen: „Hier beginnt das verfluchte Deutschland.!“ Das war ein Aufschrei von Wut, Trauer und Hass. Das kann einem nicht wundern oder gar empören, dass die Soldaten der siegreichen Armee angesichts der Leiden und Schrecken, der Toten, Vergewaltigten, Verstümmelten ihrer Völker von unbändigen Hass gegenüber den Deutschen erfüllt waren.

Fast jeder der Soldaten hatten in seiner Familie Opfer zu verzeichnen.

Wer all das in der Betrachtung des schrecklichen Geschehens nicht beachtet, vertritt – ob er es nun will oder nicht – das sich immer mehr verbreitete, letzten Endes von der herrschenden politische Klasse angeordnete, verlogene Geschichtsbild über den zweiten Weltkrieg.

Eigentlich kann man es dem Herrn Pastor nicht verübeln solch einer Geschichtsfälschung aufgesessen zu sein. Er hat in seinem Leben als Bundesbürger es nie anders gehört. Doch dem ehemaligen Grenzer General muss man es.

Zur Autobiografie von Kuhlmann will sich hier der Verfasser eigentlich nicht weiter äußern.

Dazu nur so viel: Er ging den Weg, der ihn sein Glauben wies, studierte mit Fleiß und Energie erfolgreich Theologie in der BRD, den USA, war tätig in Indien, Südafrika und Israel, missionierte in der Südsee auf den Samoa-Inseln, promovierte in Pretoria/Südafrika hielt Vorlesungen in Tartu/Estland und wurde in Leuven/Belgien zum Gastprofessor berufen. War über viele Jahre in der Kirchengemeinde Ahrenshorst tätig, verkündet das Evangelium, betrieb Seelsorge und war auch nebenberuflich Militärpfarrer in der Bundeswehr! Alles in allem ein erfülltes Leben.

Nun zur Autobiografie von Gereit: Wie schon gesagt, er kam aus einer Arbeiterfamilie. Da in der sowjetischen Besatzungszone durch die Schulreform das Bildungsmonopol beseitigt war, besuchte er die Oberschule und schloss diese mit dem Abitur ab. In einem Praktikum im Stahl - und Walzwerk „Wilhelm Florin“ in Hennigsdorf bereitete er sich in der Gießerei auf ein Studium vor. Dazu kam es aber erst einmal nicht.

Er wurde 1955 für die Deutsche Grenzpolizei geworben.

Zuvor hatte er ein besonderes Erlebnis. „Eines Tages marschierte in blauer Uniform eine Formation in Zugstärke der am 01.12.1946 gegründeten Deutschen Grenzpolizei die Straße entlang und sang das Spanienlied. Die Grenzpolizisten hatten die K 98, das bekannteste deutsche Gewehr im 1. Weltkrieg, der Wehrmacht im 2. Weltkrieg und nun auch der Grenzpolizei geschultert und sangen ''...rührt die Trommel fällt die Bajonette auf zum Kampf'. Vor meinen Augen spielten sich schlagartig wieder Szenen unserer Flucht ab und ich bewarf die Marschkolonne mit Steinen.“

Wieso denn das? Was hatte die Grenzpolizei mit der Flucht zu tun, nur weil sie Waffen trugen? Hier hat wohl seine Erinnerung oder Phantasie ihm eine Streich gespielt? Außerdem stimmt rein sachlich einiges nicht.

Es war eine Einheit (wahrscheinlich spielte sich das 1947 ab) der Grenzpolizei der sowjetischen Besatzungszone. Eine Deutsche Grenzpolizei gab es erst in der DDR ab 1952. Wo kam damals in Finkenkrug/Kreis Nauen eine Formation der Grenzpolizei her? Sicher, der Kreis Nauen hatte eine Grenze zu Westberlin. Da war aber damals noch keine Grenzpolizei stationiert. Und der K 98? Eine Waffe ist doch erst einmal wertneutral. Es kommt doch immer darauf an, wer die Waffe trägt und zu was und wofür sie eingesetzt wird.

Otto Gereit begründete seinen Dienst bei der deutschen Grenzpolizei damit, er wolle den Frieden schützen und erhalten. Nach Grenzdienst in der Grenzpolizeibereitschaft Salzwedel absolvierter er 1965 die Lehranstalt der Deutschen Grenzpolizei in Sondershausen und wurde zum Unterleutnant ernannt.1957 wurde Gereit Mitglied der SED. Über seinen Beweggründe für diesen Schritt erfährt man nichts.

Er nennt in seiner Autobiografie viele Dinge und Ereignisse, die sicher für ihn wichtig sind, den interessierten Lesern aber weniger berühren.

In seiner Dienstzeit ist er oft verantwortlich für die militärische Körperertüchtigung, sprich Dienstsport, wird Funktionär der jeweiligen Organisationen der Armeesportgemeinschaft Vorwärts, widmet sich persönlich dem Sport, spielt Volleyball, ist Mitglied von Jagdgesellschaften, gründet zwei Anglergruppen bekommt dafür eine silberne Ehrennadel.

Als Stabschef im Grenzkommando Süd so schreibt er – ein Grenzabschnitt mit „einigen wildreichen Gebieten“ - „erhielten wir oftmals 'Besuche' von Weidmännern vorgesetzter Stäbe, die zum Schuss gebracht werden wollten. Das bedeutete, dass diese Jäger begleitet werden mussten und, je nach Rang der Besucher, fiel diese Ehre auch oft genug auf mich“. So weit so gut.

Was er aber nicht nennt ist, dass in der Durchführungsverordnung von 1982 zum Grenzgesetz im § 10 steht: „Im Schutzstreifen sind keine Jagdgebiete einzurichten. Die Bedingungen für den Wildabschuss legt der Minister für Nationale Verteidigung fest.“ Also das Jagdgesetz der DDR galt für dieses Gebiet nicht. Es fand zwar keine Jagd statt, aber es erfolgte der Wildabschuss zu allen Jahreszeiten, auch während der Schonzeit. Auch deshalb kreuzten ranghohe Offiziere und Generale hier auf. Begründung: Im Interesse der Grenzsicherung – Schutz der Minensperren und des Grenzsignalzaunes vor Wild – machte es notwendig. Da liegt doch der Verdacht nahe, dass diese „Jäger“ das weidlich nutzten. Doch lassen wir das.

Wenden wir uns einzelnen Fakten und Ereignissen zu. Während der Zeit als Gereit 1. Gehilfe des Stabschefs in der Lehranstalt Glöwen war oblag ihn die Aufbewahrung im Panzerschrank der „Passierscheine, deren Inhaber, wenn sie ihn vorweisen konnten, durch Westberlin fahren durften.“ (S.,229 u. 230) Das ist falsch, das ist Quatsch!

Der Befehl 136/50 des Ministers des Inneren verbot grundsätzlich allen Angehörigen der bewaffneten Organe des MdI ob in Zivil oder in Uniform das Betreten oder Durchfahren der Westsektoren von Berlin. Es gab aber auch eine sogenannte „Berlinberechtigung“ die es gestattete, den Ostsektor von Berlin zu betreten. Ohne diesem Dokument war es nicht erlaubt, den Ostsektor aufzusuchen.

Man erfährt auf Seite 269: „Ich wurde Mitglied der Leitung der Parteigrundorganisation des Stabes und Kandidat der Parteikontrollkommission des Verbandes. Das war eine Einrichtung, die für die Einhaltung und Durchsetzung des Parteistatutes der SED zu sorgen hatte. Zweifel an dieser Aufgabe kamen bei mir auf, als ich das positive Beispiel der Arbeit der Grundorganisation einer Grenzkompanie verallgemeinern wollte. Mir wurde verdeutlicht , dass die PKK nur Verstöße gegen das Parteistatut untersucht und Parteimitglieder zur Verantwortung zieht, die sich parteilich oder moralisch etwas zu Schulden kommen ließ.“ Beließ er es damit in seiner jahrelangen Mitgliedschaft in der PPK? Darüber erfährt man leider nichts.

Die Arbeit des Stabschefs des Grenzkommandos Süd Anfang der achtziger Jahre schildert Gereit so: Über Langeweile konnte ich mich auch in diesem Jahr (1980) nicht beklagen. Die Grenzverletzerbewegung in Richtung BRD hielt unvermindert an. Provokationen an der Staatsgrenze machten uns zu schaffen, die Luftraumverletzungen ließen nicht nach... was uns immer wieder beschäftigte, waren die besonderen Vorkommnisse an der Staatsgrenze. Allein die Grenzverletzungen mit ihren Festnahmen und Grenzdurchbrüchen und daraus folgenden Untersuchungen und Folgemaßnahmen machten uns Tag und Nacht zu schaffen.“ Das war seine Aufgabe als Stabschef.

Machte er sich darüber hinaus keine Gedanken, worauf diese Situation zurück zu führen ist? Wo die Ursachen zu finden sind, warum der ständige Druck von Ost nach West auf die Staatsgrenze wieder zunahm? Aus dem Munde eines erfahrenen Grenzers wäre das für den Leser von heute schon interessant, das zu erfahren.

Auf Seite 283 berichtet er, dass ihm in einer Kaderaussprache im Sommer 1980 angetragen wurde, dass er "Ende des Jahres die Dienststellung des Kommandeurs des Grenzkommandos... übernehmen sollte. Es war das erste und letzte Mal, dass ich den Mut aufbrachte, abzulehnen. Ich fühlte mich einfach nicht reif und erfahren genug, eine solche Verantwortung zu übernehmen.

Von einem Kommandeur wurde verlangt, dass er unter besonderen Bedingungen auch einmal die Entscheidung treffen musste, die bis zur Verletzung der Menschenwürde führten. Und das war nicht mein Ding und entsprach absolut nicht meinem Charakter.“ Was das für Entscheidungen sein sollten, die die Menschenwürde verletzten, dazu äußert er sich aber nicht.

Auf Seite 303 gibt er an: 1985 war er Stellvertreter des Kommandeurs der Ofiiziershochschule in Suhl. Dabei gewann er „den Eindruck, dass ich nicht Stellvertreter für Ausbildung und Forschung war, sondern Stellvertreter für den Empfang von Besuchern der Offiziershochschule“. Er listete 14 Besucher auf, die er betreuen musste. Auch für das Jahr 1986 nahm das nicht ab. Gewiss interessant, hatte er aber nicht eigentlich ganz andere Aufgaben? Was war damit?

Gerade in dieser Zeit stand vor der Offiziershochschule doch die Aufgabe, ein neues auf die neuen Anforderungen ausgerichtetes Ausbildungsprogramm zu erarbeiten. Das markante daran war, dass der Abschluss des Studiums nicht mehr mit den Diplom eines Ingenieurpädagogen sondern mit dem Diplom eines Diplomstaatswissenschaftlers erfolgen sollte.

Es erwies sich unbestritten, der Offizier der Grenztruppen benötigte exakte, umfassende Kenntnisse völkerrechtlicher, gesetzlichen und militärischen Bestimmungen, die er bei den Handlungen zum Schutz der Staatsgrenze zu berücksichtigen und zu verwirklichen hat.

Auch die Rolle des Kompaniechefs erforderten als Staatsfunktionär fundierte staatswissenschaftliche Erkenntnisse. Darüber erfährt man von Gereit kein Wort. Ging das alles an ihn vorbei? Er beschwert sich aber über die langfristige Kommandierung des Verantwortlichen für die Lehrmethodik. War er aber nicht der Stellvertreter des Kommandeurs für Ausbildung und Forschung?
Immer wieder schildert er viele Kadergespräche, die meist mit Veränderung seiner Dienststellung endeten. Gewiss, die meist damit verbundenen Wohnortsveränderungen, der Wechsel der Schule seiner Kinder und der Arbeitsstellen seiner Ehefrau waren für ihn belastend. Hier in der Autobiografie nehmen sie einen zu breiten Raum ein.

1986 eröffnete man ihn, dass er vorgesehen war als „Leiter der Inspektionsgruppe Grenztruppen in der Verwaltung Inspektion des Ministeriums Dienst zu tun.
Damit war verbunden seine Ernennung zum General.

Am 1. Oktober 1986 ernennt ihn der Vorsitzende des Nationalen Verteidigungsrates Erich Honecker zum Generalmajor.
Bestimmt war es für Gereit ein bewegendes Ereignis.

Doch warum nennt er dazu solche marginalen Fakten, wie, er musste den Ehrendolch für Generale käuflich erwerben oder die neue Generalsuniform und andere Utensilien sowie Ausrüstungsgegenstände „machten unser Wohnzimmer zu einem Warenlager“.

So ziehen sich durch seiner gesamte Publikation viele Nichtigkeiten und an und für sich belanglose Fakten.

Der Abschnitt über das Jahr 1988 beginnt er mit der Feststellung: Mit „Glasnost“ (Offenheit) und „Perestroika“ (Umgestaltung) bemühte sich Michael Gorbatschow in der Sowjetunion aus der kommunistischen Führungsmacht ein demokratisches Staatswesen zu machen."

Das schreibt Gereit heute, wo doch angesichts der Bemühungen Gorbatschows alles andere als ein „demokratisches Staatswesen“ hervorging.

Ein Urlaubsaufenthalt im Havelland veranlasste ihn einen euphorischen Werbespott für den Naturpark „Stechlin-Ruppiner Land“ zu verfassen. Auf mehr als zwei Seiten macht er das der Öffentlichkeit kund.

Den Besuch eines Kurses an der Militärpolitischen Hochschule kommentierte er so: „Na, da war ich ja als operativer Mann an der richtigen Stelle. Ich absolvierte den Kurs mit einer etwas gedrosselten Begeisterung, sehnte förmlich das Ende dieses Lehrganges herbei und freute mich auf meine Rückkehr in meinen Inspektionsbereich.“ Keine Fragen und Gedanken dazu.

Es bleibt vieles offen.

1989 befasste sich Gereit mit Vorbereitungen, Durchführung und Auswertung von Inspektionen im Grenzkommando Mitte und der 6. Grenzbrigade Küste. Er nahm Teil an der Inspektion im Militärbezirk V und kontrollierte die Erfüllung der Aufgaben nach der im Vorjahr im Grenzkommando Süd durchgeführten Inspektion.

„Mit meiner schriftlichen Meldung über die Ergebnisse der letzten Maßnahme stieß ich beim Minister auf keine Gegenliebe. Der Bericht war an mehreren Stellen mit Rotstift, wie bei der Korrektur eines Diktates, von Armeegeneral Keßler angestrichen und wurde mir mit einer kurzfristigen Terminstellung auf den Schreibtisch 'geballert'.

Ich hatte mit aller Ehrlichkeit und Offenheit über das Stimmungs- und Meinungsbild der Grenzsoldaten in den grenzsichernden Einheiten berichtet und dabei u.a. auch deutlich gemacht,dass bei den Grenzern Fragen darüber bestünden, aus welcher Richtung denn nun wirklich der Klassengegner käme. In Gesprächen mit einigen Postenführern kam zum Ausdruck, dass sie den Grenzdienst wie eine Rundumleuchte versehen würden, weil sie mehr mit Grenzverletzern aus dem eigenen Hinterland als aus dem westlichen Vorfeld rechnen müssten.

So musste ich den Bericht derartig ändern, dass er dann schließlich die Zustimmung des Ministers fand.“ Warum? Stand er nicht zu seiner Meinung, war es Opportunismus oder gar persönliches Zurückweichen.

Kein Standpunkt dazu, musste ihn nicht die Ignoranz von Keßler beunruhigen? Keine Spur. Was ging eigentlich im Kopf des Generals Gereit damals vor. Man erfährt es nicht.

Zur erzwungenen Öffnung der Grenzübergangstellen am 9.November 1989 meint er: „ Ich war besonders darüber enttäuscht, dass meine Vorgesetzten und, im speziellen Fall, die Führungskräfte im Kommando der Grenztruppen sprachlos blieben und die an Staatsgrenze eingesetzten Kräfte im Stich ließen. Diese reagierten aber, aus welchen Beweggründen auch immer, besonnen und derart, dass an den vielen Brennpunkten kein Schuss fiel.“

Hier stellt sich die Frage, lebte und diente denn hier ein General in einem Glaskasten, in dem es nur Inspektionen und Schreibtischarbeit gab? Anzeichen dafür das der Generalität- angefangen beim Minister - die Führung der Truppe immer mehr aus den Händen glitt. Bemerkte das Gereit gar nicht oder ignorierte er auch?

Die Militärreform war nun angesagt. Man erfährt sehr wenig was in dieser krisenhaften Zeit sich im Ministerium abspielte. Es ist anzunehmen, dass sich Gereit an der Militärreform beteiligte. Genaueres teilt er nicht mit.

“Wir die handvoll Grenzer im Ministerium, die immer noch stolz die Uniformen mit unserer grünen Waffenfarbe trugen, wurden scheel angesehen, besonders von denen, die der Auffassung waren,dass sie von der Bundeswehr übernommen werden. Das war für mich sehr enttäuschend, hatte ich doch in den fast drei zurückliegenden Jahren mit vielen Angehörigen des Ministeriums gemeinsam ihre und meine Aufgabe erfüllt.“ Auch hier keine Reaktion darauf, außer Enttäuschung.

Man erfährt aber über das Jahr 1989: “sportlich betätigte ich mich an den Fernwettkämpfen der ASV ... Familiär hatte das Leben seinen so gut wie normalen Gang genommen. Meine Frau nahm einmal wöchentlich an den Probeabenden des Kleinen Klubchors teil und hatte viel Freude an den Auftritten nin der Öffentlichkeit... Ansonsten beschäftigte mich in der Freizeit und an den Wochenenden die Gartenarbeit und die Reinigung des Bürgersteiges unseres Eckgrundstückes. In der Jagdgruppe erfüllte ich die mir auferlegten Pflichten zur Erfüllung des Abschussplanes, der Teilnahme an Arbeitseinsätzen und der Arbeiten in meinem „Hegebezirk.“

In dieser Zeit wo große Teile der Bevölkerung der DDR in Aufruhr war und demonstrierten und ihren Unwillen mit der Politik der SED zum Ausdruck brachten, andere von Zukunftängsten beherrscht waren und nur eine kleine Minderheit klar sagte wo diese Entwicklung hinführte, nämlich zum Untergang der DDR, berührte seiner Biografie gemäß, das alles ihn nicht.

Anfang 1990 erfolgte für ihn überraschend der Einsatz im Untersuchungsausschuss des Ministers. „Der Ausschuss erhielt die Aufgabe, Fälle von Amtsmissbrauch, Privilegien und Korruption im Jagdwesen zu untersuchen.“ Jagdwesen der Armee versteht sich. „Es gab schon einige negative Beispiele dafür.“ Sonst nichts.

Später untersuchte er ihn Zusammenarbeit mit einem Bürgerkomitee den Einsatz von Einheiten der NVA in Dresden.
Am 12.März 1990 erklärte General Gereit seinen Austritt aus der SED, der Partei die wesentlich an seiner Karriere zum General beigetragen hatte. Gründe für diesen Schritt nennt er nicht.

Anfang April 1990 wurde er dann als Stellvertreter des Chefs und Chef des Stabes im Kommando der Grenztruppen eingesetzt.

Leider muss man feststellen, dass solche politisch indifferente, geschmeidige und angepasste Generale damals zur Liquidierung der Staatsmacht und damit der Grenztruppen gebraucht wurden.

Wenn diese auch heute sagen, sie hätten damals mit ihren Einsatz Schlimmeres verhüten wollen, so haben sie überhaupt nichts verändern können. Die Bonner Militärs und Offiziere des BGS setzten rigoros, oft mit einer Biedermannsmaske getarnt, ihre Bonner Direktiven durch.

Gereit: „Da lernte ich Menschen kennen, die ich bis dahin völlig anders eingeschätzt hatte. Und ich musste begreifen, dass und wie die Existenzangst den Menschen verändern kann.“ Und ihn selbst?

Am 8. Juni 1990 gab Gereit mit Zustimmung seines Chefs, General Teichmann, ein Abendessen für Dr. Kestner, Oberstleutnant im BGS und dem BGS-Hauptmann Kaiser. Daran nahm auch der Chef Grenzsicherung,Oberst Bahnisch, teil. „Es war ein durchaus angenehmer Abend.

In leicht vorgerückter Stunde gab uns Herr Dr. Kestner, unter dem Siegel der Verschwiegenheit als eine inoffizielle Information, wie er ausdrücklich betonte, aber unmissverständlich zu verstehen, dass wir Grenzer alle vor Gericht gestellt werden würden und das wörtlich: 'Sie kommen alle auf den Stuhl!'. Wir sollten aber damit keine Politik machen und das nicht an die Öffentlichkeit tragen, weil er persönlich von Minister Schäuble vertraulich derart informiert worden sei. Ich hielt mich diszipliniert an die Bitte von Dr. Kestner.“ Warum? Keine Antwort darauf!

Im November 1994 erhielt er die amtliche Mitteilung, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, wegen Hilfeleistung beim „Versuch einen Menschen zu töten, zu töten, ohne Mörder zu sein, wobei es durch zwei Handlungen jeweils tateinheitlich zu zwei Tötungsversuchen kam.“ Dann ließ man ihn wieder „schmoren“ und er erhielt erst im März 1998 die Anklageschrift. Am 31. Dezember bekam er die Prozesstermine – 16. März bis 18. Juni 1999.

In einer Erklärung vor dem Landgericht Erfurt sagte Gereit: „In seiner Entlassungsurkunde vom 30.09.1990 unterschreibt Herr Eppelmann: 'In Würdigung gewissenhafter Pflichterfüllung, spreche ich Generalmajor Otto Gereit für 35-jährige Tätigkeit in den bewaffneten Organen meinen Dank aus'.
Wenn ich diese 'Lobrede' meinem heutigen Erkenntnisstand gegenüberstelle, dann komme ich zu dem Schluss:

Generalmajor Otto Gereit hat auf der falschen Seite der Barrikade gekämpft. Ich spreche hier nicht von Siegerjustiz. Das halte ich nicht für richtig. Was hier geschieht, empfinde ich als Klassenjustiz und als politischen Prozess, zumindest als Prozess mit politischem Hintergrund.

Er wurde schließlich „zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem (1) Jahr und zehn (10) Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen.
Der Angeklagte Gereit wird zu einer Geldstrafe von 7 000 DM verurteilt, zu zahlen in Monatsraten von 300 DM.
Gerichtskosten: 10 881,50 DM“.

Alles in allem. Die Leser hätten zu Recht eine andere Autobiografie erwarten können. Zumal der Autor über viele Jahre in höheren verantwortlichen Positionen tätig war. Viele Nichtigkeiten und marginale Ereignisse neben persönlichen Befindlichkeiten nehmen mehr Platz ein, als wichtige Zusammenhänge, Hintergründe und Ursachen.

Von einem Generalmajor der Grenztruppen hätte man durchaus etwas anders erwarten können. Er stand oft im Brennpunkt wichtiger Vorkommnisse an der Staatsgrenze.. Einsatz der Schusswaffe, Minensperren, der Widerspruch zwischen Grenzdienst und Gefechtsaufgaben, politische Ungereimtheiten, Irrtümer und Fehler und anderes mehr, riefen doch Konflikte hervor.

Eine verpasste Chance.

Damit wurde diese Parallelbiografie Plutarch nicht gerecht!