Ausführungen auf der festlichen Veranstaltung der GRH


anlässlich der siebzigsten Wiederkehr des Tages 
der Gründung


der Grenzpolizei der SBZ/Grenztruppen
DDR

 

Friethjof Banisch, Oberst a.D.

 

 

Liebe Genossinen und Genossen!

Verehrte Gäste unseres Treffens,

liebe einstige Waffenbrüder aus dem In - und Ausland!

 

Mit unserem diesjährigen Treffen, übrigens dem einunddreißigsten und traditionell organisiert durch die

AG Grenze der GRH, würdigen wir in besonderer Weise die 70ste Wiederkehr des Tages

der Gründung der Grenzpolizei, der Deutschen Grenzpolizei und somit die Geburtsstunde der

Grenztruppen am 1. Dezember 1946.

Das ist ein würdiger und zugleich denkwürdiger Anlass.

 

Wir begehen einen Gründungstag und erinnern zugleich an unseren Beitrag zur bisher längste

Friedensperiode in der Geschichte dieses Kontinents. Kaum eine größere bewaffneten Formationen war im

Verlaufe ihrer Existenz so unmittelbar dem Primat der Politik unterworfen, wie die Grenzsicherungskräfte

der DDR.

Die unterschiedlichen Bedingungen in den Grenzabschnitten, der dynamische politische Charakter der zu

sichernden Grenzen, sowie das entsprechende Grenzregime bestimmten die Arten, die Methoden,

die Kräfte und Mittel beim Einsatz unsere Truppe zur Erfüllung der sich daraus ergebenden Aufgaben.

So hatte die bei Grenzern unter der vorgehaltene Hand kursierende Floskel durchaus eine Berechtigung,

die da lautete:

                         „Nichts ist bei uns zuverlässiger, als unsere ständige Veränderung."

An vielen Orten der einstigen Republik trafen sich und treffen sich in diesen Wochen Frauen und Männer

aus innerer Verbundenheit zueinander.

Diese Zusammenkünfte sind auf Eigeninitiative gewachsen und haben eine lange Tradition, obwohl unser

einstige Berufsstand in der veröffentlichten Wahrnehmung hier zu Lande schlimm diskreditiert worden ist

und das noch immer wird.

 

Eine Mengen an bundesdeutschen Steuergeldern wurden ausgegeben, damit speziell

geschaffene Staatsanwaltschaften politisch motiviert ermitteln zu können und um Gerichtsurteile

gegen uns begründbar zu machen. Doch damit nicht genug!

Kommissionen, Gedenkstätten, Redaktionen und Informationspunkte werden bewegt, um die Geschichte

unseres Berufsstandes durch so genannte „Aufarbeitung" zu verfälschen und unseren Dienst zu diskreditieren.

Und dennoch - Grenzer treffen sich, um an gemeinsame Erlebnisse im Verlaufe der Ausbildung, des

Studiums und des Truppen- und Stabsdienstes zu erinnern, über die Familien zu reden und die

Möglichkeit des Gedankenaustauschs mit Gleichgesinnten zu nutzen. Und man trifft ehemalige Partner

aus den Standorten bei solchen Treffen, die sich uns bis heute verbunden fühlen.

 

 

Natürlich geht es bei diesen Treffen auch um die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit und um die

uns alle bewegende Lebensrealität von heute.

Schließlich sind wir in den gegenwärtigen Zustand dieser Gesellschaft befördert worden, und nun müssen

wir — von den realen Kräfteverhältnissen gezwungen — seit Jahren damit zurecht kommen - jeder auf

seine Weise.

 

 

Doch heute soll vorrangig von uns und dem gemeinsamen Weg die Rede sein.

 

Von uns, die wir als Polizisten und Soldaten, als Zivilbeschäftigte und Freiwillige Helfer in den

Reihen der Grenzpolizei, dann in der Deutschen Grenzpolizei und schließlich in den Reihen der Grenz-

truppen einen gemeinsamen Weg gingen, erst in der SBZ und dann im Dienst für unseren einstigen Staat.

 

Von den ersten Tagen an, als ich im August 1966 den ganz speziellen Geruch in den Backsteinbauten

der Kaserne aus kaiserlichen Zeiten wahrnahm, der sich morgens mit dem Geruch vermischte, der

vom Tal der Elster aufstieg und den ich bis heute noch riechen kann, gab es Grenzer, die für mich Vorbilder

waren, denen ich nacheiferte.

 

Die ersten Grenzer gingen aus der Vorkriegsgeneration hervor.

Ihnen folgten Männer und Frauen, die aus der unmittelbaren Kriegs- und frühen Nachkriegs-

generation kamen.

Und schließlich dienten Grenzer gemeinsam mit den hier vorher Genannten, die in der DDR geboren

wurden und somit als Friedensgeneration aufwuchsen.

 

Von 3 Grenzergenerationen ist also die Rede.

 

Sie trugen die Last der Verantwortung für die Überwachung der Demarkationslinien und den Schutz der

Grenzen zwischen 1946 und 1990.

Heute finden wir Vertreter aller 3 Generationen kameradschaftlich versammelt und wenngleich auch die

Härte des Dienstes so manche Narbe auf der Seele hinterließ, die Herzlichkeit der Begegnungen unter

den heute hier Versammelten spricht für sich.

 

Schauen wir zurück auf rund 44 Jahre des Dienstes und natürlich auch auf die dann folgenden Jahre.

 

Die Grenzer der ersten Generation kamen einst aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten

und ihre ursprünglich erworbene Bildung, die berufliche Ausbildung und ihre politischen Einsichten

konnten unterschiedlicher nicht sein.

Die Lebensumstände in ihrer Kindheit und Jugend im Vorkriegsdeutschland des letzten Jahrhunderts

brachten das mit sich.

Zwischen zwei Weltkriegen geboren erlebten sie die Zeit des Faschismus und den schlimmsten aller

bisherigen Kriege als Soldat der deutschen Wehrmacht, Luftwaffe oder Kriegsmarine, in der Wirtschaft

des Landes, aber auch im antifaschistischen Widerstand, in Gefängnissen und Konzentrationslagern oder

in der Gefangenschaft der Alliierten während des Krieges und auch noch danach.

Die meisten von ihnen waren einst Arbeiter, Bauern und Handwerker gewesen.

 

Die Tatsache missbraucht worden zu sein, die ungeheuren Opfer und der materielle, moralische

und geistig - kulturelle Schaden infolge des Krieges;

der Verlust der Heimat für so viele von ihnen, das prägte die Menschen der ersten Grenzergeneration in

besonderer Weise. Sie trugen mit ihrer Lebenserfahrung eine Grundhaltung in unsere Truppe, die

die Jahre überdauerte.

 

Diese Grundhaltung lautete: „Nie wieder Krieg — nie wieder Faschismus!"

 

Beim Eintritt in die Reihen der Grenzpolizei spielten weitere Motive eine Rolle, die von der politischen

Überzeugung über die Einsicht in die Notwendigkeit bis hin zum einfachen Broterwerb reichten.

Und natürlich war da auch der Wunsch, mit anderen jungen Leuten nun an einer guten Sache

gemeinsam zu arbeiten.

 

Die Direktive Nr. 16 des Alliierten Kontrollrates in Deutschland vom 06. November 1945

forderte in ihrem ersten Absatz:„Um die deutsche Polizei in die Lage zu versetzen, sich an der

Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung tatkräftig beteiligen zu können, muß sie so schnell wie

möglich mit Waffen ausgestattet werden."

Weiter legte die Direktive unter a) bis f) die Bedingungen der Neubewaffnung fest, die erst einmal

zu erfüllen waren, darunter die „Entnazifizierung" und die Ausbildung zukünftiger deutscher Polizisten.

 

Die Sowjetische Militäradministration verfügte im November 1946 den Aufbau einer

Grenzpolizei in den Ländern und Provinzen der SBZ.

Die hatte ihren Dienst am 01. Dezember 1946 aufzunehmen.

 

Seither gilt dieses Datum als die. Geburtsstunde unseres Berufsstandes in der SBZ und der späteren DDR.

Von den Landespolizeibehörden administrativ verwaltet, unterstanden die Grenzpolizeieinheiten im

Einsatz den Kommandeuren der sowjetischen Einheiten, von denen die Demarkationslinie

zwischen den Besatzungszonen und die Landgrenzen zu Polen und der CSR gesichert wurden.

 

 

Auf Grundlage der Direktiven des Alliierten Kontrollrates Nr. 42, 43 und 49 war die

Ordnung im Grenzverkehr durchzusetzen, illegale Grenzübertritte zu unterbinden, sowie das

Bandenwesen, der Schmuggel und Schwarzhandel zu bekämpfen.

 

Das war nur mittels eines gewissen Ordnungsregimes an der Demarkationslinie und den Grenzen möglich. 

 

Zunächst kamen ca. 2 600 Grenzpolizisten an der 2 273 Kilometer langen Landgrenze der SBZ

gemeinsam mit sowjetischen Truppen zum Einsatz. Das war eine der Voraussetzungen für

den Aufbau antifaschistisch - demokratischer Gesellschaftsstrukturen und eine Ordnung, mittels derer

bessere Lebensverhältnisse entstehen sollten.

 

Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt, lasst uns Dir zum Guten dienen,

Deutschland einig Vaterland! Lasst uns pflügen, lasst uns bauen, lernt und schafft wie nie zuvor,

und der eignen Kraft vertrauend steigt ein frei Geschlecht empor..."

 

 

Ein ehrliches, ein schönes Bild!

 

 

Aber mit der Gründung des westdeutschen Separatstaates wurden durch die Westalliierten politische,

juristische, wirtschaftliche und schließlich auch militärische Tatsachen geschaffen.

Die Gründung der DDR war nun folgerichtig, denn die Politik wird immer aus Machtinteressen genährt

und setzt ihr Primat mittels Machtorganen durch, dem eigenen Staat.

 

Die Probleme der Anfangsjahre mussten plötzlich in einer völlig veränderten Lage gemeistert werden.

Jetzt war Grenzdienst an einer Trennlinie durch Deutschland zu leisten, die nicht mehr nur Besatzungs-

gebiete in einem Land voneinander trennte.

 

Das Ordnungsregime im Osten musste den neuen Bedingungen angepasst werden.

 

Für viele Menschen war das keine einfach zu verarbeitende Tatsache, auch für damalige Grenzer nicht.

Einerseits wurde noch auf ein einheitliches Deutschland gehofft, andererseits waren die Grenzpolizisten

schon Objekt der Hetze und Verunglimpfung, Ziel von Abwerbung und Bedrohung durch Leute aus dem

Westen und auch aus dem Osten Deutschlands.

Die ersten Opfer unter Grenzern waren längst zu beklagen und auch die erste Fälle von Verrat.

Dennoch wurde ihnen nun die alleinige Verantwortung an den Grenzen der DDR übertragen bekam.

 

 

Der Kalte Krieg gegen die UdSSR, gegen die jungen Volksdemokratien im Osten und gegen uns hatte längst

Fahrt aufgenommen.

 

Klar und täglich spürbarer wurde: Ohne ununterbrochen überwachte Grenzen würde es keine solide

wirtschaftliche Entwicklung der jungen Republik geben können!

Die Grenzer hatten nun ihren Beitrag zur praktischen Umsetzung der politischen Entscheidungen, die

Schritt für Schritt ins Haus standen, zu leisten.                                                            

Erinnert sei hier nur an:       

 

- die Übergabe der Verwaltungsfunktionen der SMAD an die Organe der nun gegründeten DDR, also

  die zunächst formalen Beendigung des Besatzungsregimes; 

 

die Deklarationen mit Polen vom 06.06.1950 über die gemeinsame Friedens — und Freundschaftsgrenze 

   und mit   der CSR vom 23.06.1950 zur gemeinsamen Staatsgrenze, ohne gegenseitige Gebietsansprüche

   zu erheben;-

 

 -  die Übernahme der Kontrolle der Stadtgrenzen zwischen dem demokratischen Sektor von Berlin und

    der DDR durch Einheiten der Grenzpolizei ab Oktober 1950;

 

 - die Herauslösung der Grenzpolizei aus den Ländern und die Führung durch die Hauptverwaltung Deutsche

   Volkspolizei im MdI ab 01.01.1951;

 

 - den Erlassen des Ministerrates der DDR vom 26. und 27. 05. 1952 zur „Verordnung über Maßnahmen an

   der Demarkationslinie zwischen der DDR und den westlichen Besatzungszonen" und der Erlasse des 

   Ministerrates der DDR zur „Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der

   Demarkationslinie", also den Grundlagen des Grenzregimes der DDR, das den Zustand

   „offener Grenzen"mit dem Übergang von der Grenzüberwachung zur Grenzsicherung beendeten;

 

 - die Formierung der Grenzpolizei See und die Übernahme der ersten Küstenschutzboote am 15.06. 1952;

 

 -  die Erklärung der Regierung der UdSSR zur Souveränität der DDR von 25.03. 1954.

 

Von besonderer Bedeutung für die Grenzschutzorgane der DDR waren der Abschluss des „Vertrag(es)

über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand" also der „Warschauer Vertrag" am

14.05.1955 und der Abschluss des „Vertrag(es) über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demo-

kratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" vom 20.09. 1955.

 

Damit übernahm die DDR Bündnisverpflichtungen, die eine erhebliche Erweiterung der Aufgaben der

Schutz- und Sicherheitsorgane mit sich brachten, zugleich die Souveränität der DDR einschränkten

und der Deutschen Grenzpolizei neben den grenzpolizeilichen auch militärische Aufgaben zuordneten.

 

Der Erlass des „Befehl(s) Nr. 48/57 des Ministers des Inneren über die Festigung und Stärkung der

Deutschen Grenzpolizei" vom 14.08. 1957 und die daraus folgende Einnahme der Brigadestruktur bei 

Ausrüstung mit ersten schweren Waffen entsprach den Erfordernissen militärischer Führungs- 

und Organisationsprinzipien und schuf die Grundlagen für den Übergang zur militärischen Grenzsicherung

als Bestandteil des militärischen Schutzes der Staatsgrenze der DDR zur BRD.

 

Eine weitere Entscheidung dazu war der Erlass der „Direktive Nr. 20/60 des Ministers des Inneren über

die Aufgaben der DGP zur Verbesserung der Grenzsicherheit und zur Erhöhung der Einsatz - und

Gefechtsbereitschaft im Jahre 1960"

 

Heute sind noch erfreulich viele Grenzer unter uns, die auf dem ihnen zugewiesenen Platz zur Erfüllung

dieser Aufgaben beigetragen haben.

Einige von Ihnen erweiterten ihre fachlichen Kenntnisse bei ersten Kursen an Ausbildungseinrichtungen

in der UdSSR. Sie haben ihre Erlebnisse, ihre Erfahrungen und das im Verlaufe ihres Dienstes in dieser

Zeit erworbene Wissen ehrlich an die Jüngeren unter uns weitergegeben. Aus ihrer Mitte kamen die

ersten Kommandeure, Politarbeiter und Stabsoffiziere der Grenzbereitschaften und Abteilungsstäbe, später

die der Grenzbrigaden und Regimenter. Sie nahmen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Truppe.

Vielen von diesen Genossen ist bis heute ein legendärer Ruf unter uns Grenzern erhalten geblieben.

Das hängt wohl auch damit zusammen, das sie aus ihren Fehlern und Irrtümern kein Hehl machten.

Ich hatte das Glück, unter einigen von ihnen zu dienen und ich gebe zu, die Männer war nicht immer einfach!

Ihre Lebenswege und Motivationen, ihre Erfolge, aber auch ihre Sorgen und die Kritik an Entwicklungen

in der Truppe haben einige von ihnen niedergeschrieben. Ihnen war Klar: Es ist unredlich, die Geschichte

unserer Truppe von ihrem Ende her zu betrachten und zu bewerten.

Genauso unredlich ist es, sie heute nach Gutdünken „aufzuarbeiten" wie ein altes Werkstück, damit

es vordergründigen politischen Bedürfnissen oder Eitelkeiten entspricht!

 

Euch allen, liebe Genossinen und Genossen, die Ihr die Anfangskapitel unserer Geschichte geschrieben habt,

ob immer als Grenzer oder dann beim Aufbau der NVA und der anderer Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR,

ob heute hier im Saal oder draußen in den ehemaligen Standorten oder im Seniorenheim, und natürlich

den inzwischen verstorbenen Genossinen und Genossen,

Euch allen gilt von hier aus ein herzlicher Grenzergruß!

 

Den etwas später Geborenen unter uns waren die Schrecken des Krieges und das Leben im Faschismus teils

oder gänzlich erspart geblieben. Dennoch waren die Folgen jeden Tag gegenwärtig, und diese

Generation hatte sich mit dem Erbe auseinander zu setzen.

Sie sah die Zerstörungen in den Städten und vor allem an den Menschen mit ihren körperlichen

Verstümmlungen und hörten in den Familien die Erzählungen der Älteren über das im Krieg Erlebte.

 

Sie mussten auch erkennen wie recht Berthold Brecht hatte mit seinem

 

"Es ist fruchtbar noch — aus dem das kroch!"

 

als eine Warnung, die, wie wir wissen, bis heute gilt.

 

Dieser Generation waren schon erste Möglichkeiten einer soliden Bildung und Weiterbildung im neuen,

im humanistischen Sinne gegeben, und unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. 

 

Der Ruf : „Die Jugend schützt die junge Republik!", aber auch die spürbaren Fortschritte beim

Wiederaufbau im Lande, in den Schaufensterauslagen und im täglichen Leben war Vielen aus dieser

Generation ein gewichtiges Motiv, Grenzer zu werden. Sie wollten sich in den Schutz einer

sozialistische Gesellschaft einbringen.

 

Die Härte in der Auseinandersetzung der Systeme nahm zu und Bestrebungen der UdSSR, Deutschland mit

seiner Geschichte und der exponierten geostrategischen Lage aus dem direkten Spannungsfeld heraus zu

halten, waren schon längst an den Westalliierten und den Interessen der bundesdeutschen Eliten aus

Wirtschaft und Politik gescheitert.

 

Die zuverlässige Grenzsicherung als wesentlicher Bestandteil des Schutzes der Staatsgrenze unter den

politischen, wirtschaftlichen und völkerrechtlich jeweils gegebenen Bedingungen der Zeit, gebunden

an die Verpflichtungen im Warschauer Vertrag - das stand im Weiteren als Aufgabe vor den Grenztruppen

und damit auch vor der nachrückenden Grenzergeneration.

Aus der sich rasch zuspitzenden Lage in Mitteleuropa und deren Wirkungen im Inneren des Landes ergaben

sich nun Entscheidungen, die für das ganze Land, seine Streitkräfte, und speziell die Deutsche Grenzpolizei,

eine gewaltige Herausforderung bedeutete und weitreichende Konsequenten haben sollte.

 

Das waren die Beschlüsse des NVR der DDR zur militärischen Schicherung der Staatsgrenze

vom 20.01. 1961.

 

Damit begann eine neue Entwicklungsetappe der Grenzsicherungskräfte der DDR.

Im Verlaufe der bisher betrachteten fünfzehn Jahre war an den Demarkationslinien und den Grenzen der

SBZ zunächst ein rudimentäres und dann ein klar umrissenes Grenzregime entstanden.

 

Dieses Grenzregime entsprach mit seinen notwendigen staatsrechtlichen Normen zur Gewährleistung

der territorialen Integrität und Unverletzlichkeit seiner Grenzen sowie den Normen zur Regelung der

Sicherheit und Ordnung in den grenznahen Räumen, zur rechtmäßigen Grenzpassage und

grenzüberschreitenden Kommunikation in Grenzangelegenheiten sowie dem Tätigwerden der zu

diesen Regelungen herangezogenen staatlichen Organe und gesellschaftlichen Kräfte den Erfordernissen

und Bedingungen, wie sie sich an den unterschiedlichen Abschnitten der Staatsgrenze der DDR

entwickelt hatten.

Mit diesen Regeln wurde internationales Recht im Interesse des eigenen Landes in nationales Recht

souverän umgesetzt.

 

Von einem Unrechtsregime kann keine Rede sein!

 

Erinnern wir uns an die weitere Entwicklung in diesem Zusammenhang:

Im Interesse der ganzen Koalition hatte die Warschauer Vertragsgemeinschaft der entstandenen

internationalen Lage und dem Kräfteverhältnis der Seiten zu entsprechen, der eingetretenen Lage in und

um Berlin Rechnung zu tragen und entschieden, den vorderen Rand ihrer kollektiven

Verteidigungsanstrengungen an die Westgrenze von DDR, CSSR und Ungarn zu verlegt.

 

Das führte mit dem Beschluss des Ministerrates der DDR vom 12.08. 1961

zu den Grenzsicherungsmaßnahmen ab dem 13. August 1961.

 

Am 15. 09. 1961 beschloss der NVR die Erhöhung der Kampfkraft der bewaffneten Kräfte, deren Hauptinhalt

in der Herauslösung der DGP aus dem MdI und die Unterstellung als „Grenztruppen der NVA" an das MfNV

bestand.

 

Am 19. 10. 1961 erfolgte mit dem Erlass des Befehls Nr. 85/61 des Ministers für Nationale Verteidigung über

die Errichtung eines Sperrensystems an der Staatsgrenze der DDR zur BRD und zu Berlin (West) ein weiterer

Schritt zu einer Grenzsicherung militärischen Verteidigungscharakters. Das schloss die Schaffung von

Minensperren an der Westgrenze mit ein.

Es folgte die Umformierung der Einheiten an der Ost- und Südgrenze und deren Übergang zur

Grenzüberwachung, sowie die Umunterstellung der Grenzbrigade Küste an das Kommando der

Volksmarine zum 04.11. 1961.

 

Bereits am 24. 01. 1962 beschloss die Volkskammer die Allgemeine Wehrpflicht, die auch den Wehrdienst in

den Grenztruppen regelte. Das stellte neue Anforderungen an die Auswahl, Menschenführung, Erziehung

und Ausbildung — ein hoher Anspruch!

Mit dem Beschluss des Ministerrates der DDR vom 23.08. 1962 über den Einsatz eines

Stadtkommandanten von Berlin und die Unterstellung dortiger Grenzsicherungskräfte an diesen, sowie mit

dem Ministerratsbeschluss vom 21.06. 1963, der die Schaffung eines Grenzgebietes zu Westberlin vorsah,

wurde auf die Lage an dieser Grenze reagiert.

Diese Maßnahmen wurden ergänzt durch die Schaffung der Hubschrauberkräfte der Grenztruppen ab 1963

und die Durchführung der einseitigen Grenzmarkierung zur BRD im August 1967, die für das praktische

Einfordern der Unverletzlichkeit der Staatsgrenze von großer Bedeutung war. Die dabei erbrachten

Leistungen fanden hohe Würdigung.

Ich möchte es bei der Aufzählung dieser Eckdaten bewenden lassen, denn es wird uns deutlich: Welche

Forderungen der Staat an seine Grenzsicherungsorgane und damit zuerst an die dort handelnden Grenzer

und an deren Familien stellte, sie wurden erfüllt. Da waren meist junge Leute, die teils in den entlegenen

Gegenden des Landes mit nur mäßiger Infrastruktur lebten, arbeiteten, lernten, liebten und Kinder

groß zogen.

Das konnte nur funktionieren Dank der Überzeugung der Grenzer von der gerechten Sache, der sie dienten,

Dank der Anerkenntnis ihrer Leistungen und der ganz praktische Sorge und Hilfe der Gemeinschaft vor Ort

bei der Lösung ihrer sozialen Belangen.

 

Wir waren fester Bestandteil der Bevölkerung in den Dörfern und Städten, gehörten mit unseren Frauen zu

den politischen und gesellschaftlichen Gemeinschaften dort.

 

Viele von uns haben bis heute unangefochten ihren Platz dort — trotz alledem!

 

Mit Beschluss des Ministerrates der DDR vom 15.02. 1971 über die Auflösung der Grenzbrigaden und die

Formierung der Grenzkommandos NORD und SÜD, die Formierung des Grenzkommandos MITTE und

dessen Unterstellung an das Kommando der Grenztruppen ab 14.05.1971 wurden die Grenzsicherung und

Grenzüberwachung an der gesamten Landgrenze durch den Chef der Grenztruppen der DDR geführt.

Der wurde dem Minister für Nationale Verteidigung unterstellt und später einer seiner Stellvertreter.

 

Das hatte auch Symbolkraft.

 

Es begann der ergänzende Ausbau von Minensperren mit Splitterminen des Typs SM-70 an ausgewählten

Abschnitten der Westgrenze. Einige Grenzer hielten diesen Schritt für einen in die falsche Richtung angesichts

der Erfahrungen mit Erdmienen. Nach einer aufwendigen Erprobung in zwei Grenzbataillone in

den Grenzkommandos NORD und SÜD, die mit guten Ergebnissen abgeschlossen wurde, begann 1973

der etappenweise Überganzur Bataillonssicherung an der Westgrenze. Diese Methode der Grenzsicherung

sollte die Erfüllung der gewachsenen Forderungen im Grenzdienst und die Bereitschaft und Fähigkeit

zum Gefechtsdienst ermöglichen.

Es kam zur Erhöhung des Motorisierungsgrades und zur weitere Verbesserung der Bewaffnung der Truppe,

sowie zur Möglichkeit der intensiveren Gefechtsausbildung geschlossener Einheiten. Die Bildung von

Spezial - und Reserveeinheiten wurde endlich möglich. Es stabilisierten sich Disziplin und Ordnung und

damit die Verhältnisse in den Einheiten.

Die früheren Dauerbelastungen in der Kompanie wurden zunächst geringer und die Wirksamkeit in der

Grenzsicherung in wichtigen Räumen und Richtungen besser.

Nach einiger Zeit stellte sich aber auch heraus, das solche Grenzertugenden wie genaue Kenntnisse über den

wahrscheinlichen Gegner, die Verbindung der Grenzer zu ihrem eigenen Grenzabschnitt und die Kenntnisse

der Eigenheiten dessen Ausbaus, die Techniken und Methoden der Tarnung und Täuschungshandlungen,

die Geheimhaltung eigener Absichten und die Eigeninitiative im Grenzdienst der geschlossen handelnden

Einheiten, sowie die Verbindung einiger Führungskräfte zur Grenzbevölkerung langsam schwanden.

 

Am 25.03. 1982 beschloss die Volkskammer das „Gesetz über die Staatsgrenze der DDR" (Grenzgesetz)

nebst Durchführungsverordnung zum Gesetz und die Anordnung über die „Ordnung in den Grenzgebieten

und den Grenzgewässern der DDR".

Das hatte einen deutlichen Lernprozess bei den Grenzern in allen Führungsebenen und den Einheiten zur Folge.

Die Stäbe, die Politorgane, der Lehrstuhl 204 der MAFE, die Lehreinrichtungen und Ausbildungstruppenteile und

-Einheiten schufen Voraussetzungen für eine schnelle theoretische Aneignung und die Kommandeure für die

Durchsetzung der Inhalte dieser für uns so bedeutungsvollen Dokumente in der praktischen Truppenführung.

 

Mit der Erfüllung des Befehls Nr. 61/84 des Ministers für Nationale Verteidigung vom 22.06.1984 über den

Abbau und die vollständige Räumung aller Minensperren an der Staatsgrenze zur BRD bis zum

31.07. 1985 erbrachten die damit befassten Führungskräfte aller Ebenen und die Truppen vor Ort nicht nur

eine bewunderungswürdige physische, psychische und fachliche Leistung, sondern auch einen wirksamen

Beitrag im Zusammenhang mit den Wiener Verhandlungen.

 

 Auch der flexiblere Einsatz der Kräfte und Mittel im Grenzdienst wurde mit dem Wegfall der Minen verbessert.

Wir hatten uns im Laufe der Jahre zu einer solide bewaffneten, hoch beweglichen, motivierte und

einsatzfähigen Truppe mit einem gut ausgebildeten Bestand an Soldaten und Berufskadern entwickeln können.

 

Die Gesellschaft gab dazu über Jahre das, was sie zu geben im Stande war.

 

So vollzogen sich der pionier-, signal- und nachrichtentechnische Ausbau und die Rekonstruktion der

Grenzabschnitte kontinuierlich. Wohnungen, Kindergartenplätze, Klubhäuser und andere kulturelle und

sportliche Einrichtungen, moderne Kompanieobjekte, neue Kasernen, Standort- und Truppenübungsplätze,

die Neubauten für die Offiziers- und die Unteroffiziersschule mit all ihren neuen Einrichtungen und

die modernen Basen für unsere Hubschrauberkräfte und die Bootseinheiten stellten das unter Beweis.

Wie viel an Kreativität, Engagement und Herzblut von den Grenzern, von den Kommandeuren, Polit- und

Parteiarbeitern und Zivilbeschäftigten neben der materiellen Seite darin steckte, können wahrscheinlich nur

wir selbst einschätzen.

 

Doch der materielle und finanzielle Spielraum wurde enger.

Gleichzeitig wuchsen die Anforderungen an der Grenze und zusätzlich bei der Hilfe in der ins Schlingern

geratenen Volkswirtschaft.

Die eigenen Kräfte wurden überfordert. Das blieb besonders bei den jüngeren Genossen in den

Grenz- und Ausbildungseinheiten nicht ohne Folgen.

 

Dem wollten wir u.a. mit einem weiterentwickelten System der Grenzsicherung begegnen, das

seit 1982 erprobt worden war und in dem die Grenzkompanie mit fest zugewiesenem Grenzabschnitt und

der aktiv handelnde Grenzer in ihrem Grenzabschnitt wieder die Hauptrolle in der Grenzsicherung spielen

sollte, und in dem die Kommandeure aller Stufen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln

die Hauptprinzipien der Grenzsicherung und Grenzüberwachung besser durchsetzen konnten, ohne

Fähigkeiten in der Gefechtsmäßigen Grenzsicherung einzubüßen. Außerdem waren finanzielle, materielle

und personelle Einspareffekte zu erzielen.

Die etappenweise Einführung erfolgte an der Westgrenze bis 31. 10. 1985 und in Kenntnis der Tatsache,

das damit einige offene Fragen zu einem effektiveren Zusammenwirken und der ständig stabilen

Zusammenarbeit der Grenztruppen vor Ort, mit den Organen, Betrieben und Einrichtungen der Grenzkreise

und Grenzbezirke, noch nicht optimal gelöst werden würden. Dieser Schritt stand noch aus und ein Versuch,

dies über Grenzbeauftragte des MfS zu lösen, war umstritten und nährte nur Spekulationen.

 

Politischen Kräften in beiden bisher widerstreitenden politischen Weltlagern glückte es, gestützt auf Kreise

um Gorbatschow und den Vatikan, der Politik der USA neuen Spielraum zu gewähren. So gelang es,

einstige Verbündete der UdSSR durch politische Umbrüche zu demontieren.

 

Vertrauensverluste in einer solchen Lage hätte auf uns verheerend wirken können. Die Vorgesetzten aller

Stufen, die Polit- und Parteiarbeiter mühten sich um Antworten auf die Fragen vor Ort in den Einheiten,

ohne selbst welche zu erhalten, denn es herrschten Sprach- und Orientierungslosigkeit in Teilen der Partei

und des Staates.

 

Am Auftrag der Politik für die Grenztruppen hatte sich allerdings nichts Wesentliches geändert, wieso auch?!

Die Situation war zunehmend angespannt, aber es lag wohl außerhalb jedes Vorstellungsvermögens der

meisten von uns, das man im Mutterland des Sozialismus unseren Verkauf an den Westen schon in

Erwägung zog.

 

Wieder waren Veränderungen notwendig, mit denen wir der entstehenden Situation begegnen, und die

gestellten Aufgaben zum Schutz der Grenzen erfüllen konnten. Die Erprobung der Kompaniesicherung

in zwei Regimentern des Grenzkommandos Mitte und die Reorganisation der Grenztruppen in den

Verbänden an der Westgrenze 1988/89 mit der Angleichung der Grenzabschnitte und Führungsorgane

an die Territorialgliederung und der Wegfall einer Führungsebene zugunsten der Anzahl der Grenzeinheiten

geriet in den Strudel der politischen Ereignisse.

 

Das Primat der Politik setzte sich durch.

 

Das verlangte der Truppe 1989 mehr ab, als im Voraus von uns bedacht werden konnte. In Anbetracht der

nun aufziehenden dunklen Wolken war das ein Fehler, doch der war nicht mehr korrigierbar, zumal er mit

der Reduzierung der Standorte und der Truppen der Landstreitkräfte der GSSD und NVA in Grenznähe im

unmittelbaren Zusammenhang betrachtet werden musste.

 

Als man in Moskau die DDR schon als Handelsware für die Utopie eines „Gemeinsamen Europäischen Hauses"

mit „Allgemeinen menschlichen Werten" anbot, und offensichtlich in Teilen der eigenen Partei gleiches

Wunschdenken herrschte, kam es zu den mittlerweile sattsam bekannten Abläufen 1989.

 

Schließlich wurde mit der Öffnung der DDR - Grenzübergänge zu Berlin (WEST) und später zur BRD die

Truppe vor ihre härteste Bewährungsprobe gestellt!

 

Vor den im Dienst befindlichen voll bewaffneten Grenzern, den Passkontrolleuren, Angehörigen der

Zollverwaltung und Volkspolizei, ob in Berlin oder an der grünen Grenze, ob in den Lagezentren der Stäbe,

also vor allem, die man seit Jahren als „Todes- und Mauerschützen" mit ihrem „Schießbefehl" verleumdete

und deren Partnern vor Ort stand eine Entscheidung.

 

Es fiel kein Schuss !!!

 

Eine Voraussetzungen dafür waren die Befehle Nr.10/89 bzw. Nr.11/89 des Vorsitzenden des NVR,

erarbeitet vom Sekretär des NVR und Chef des Hauptstabes, die heute bestimmte Leute in Ost und West

allzu gerne unter den Tisch fallen lassen, wenn von diesen Stunden die Rede ist. Warum wohl?

 

Entscheidend für den insgesamt gewaltlosen Verlauf der Ereignisse am 09. und 10. November 1989, davon

bin ich überzeugt, war die Moral unserer Truppe und ganz besonders die Haltung derer, die in diesen Tagen

an der Grenze an Leib und Leben bedroht wurden, sich subjektiv vom Vorgesetzten verlassen fühlen mussten

und die Nerven dennoch behielten.

Wir brauchen uns nur die Bilder von den GÜST oder vom Brandenburger Tor vor Augen zu halten. An einigen

Abschnitten der Westgrenze ging es nicht sanfter zu!

 

Dieses Verhalten verdient unser aller Hochachtung!

 

 

Liebe Genossinen und Genossen, werte Gäste,

 

wie sichtbar wurde, verlief die Entwicklung der Grenztruppen der DDR im Kontext mit den

Entwicklung der Beziehungen der Staaten in Mittel- und Westeuropa zueinander in der jeweils zu

betrachtenden Zeit.

Der Politik dieses Staates folgend setzten wir geltendes nationales und internationales Recht in jedem

Abschnitt unserer Entwicklung um, indem wir die Aufgaben zur Durchsetzung des Grenzregimes erfüllten.

 

Als der Staat seine Souveränität aufgab, aus welchen Gründen auch immer, war es Zeit für die

Arbeitsbeschaffung möglichst vieler von uns. Den Grenzern, die nun als Vorgesetzte die ganze Verantwortung

tragen mussten, blieben dafür in einer chaotischen Zeit nur Monate, dann gab es die Grenztruppen der DDR

nicht mehr.

 

Drei Generationen von länger dienenden Grenzern, dazu hunderttausende Wehrpflichtige haben sich

gemeinsam dieser schwierigen Aufgabe gestellt und mit ihnen die Mitglieder ihrer Familien.

Große Teile der Gesellschaft nahmen Anteil und halfen durch ihren Beitrag zu Ordnung und Sicherheit

auf den Feldern, im Forst, auf Flüssen und auf Hoher See, in Betrieben und Institutionen und im

gesellschaftlichen Leben in den Grenzkreisen und Grenzbezirken.

 

Unser Dank an diese Bürger war stets aufrichtig.

 

 

Unvergessen bleiben die in dieser Zeit ermordeten Grenzer.

 

Auch jeder an der Grenze durch Minen oder durch Schüsse verletzte oder gestorbene Grenzverletzer,

also Gesetzesbrecher, war einer zu viel.

 

In wieweit unsere Handlungen in konkreten Einzelfällen gemessen an der jeweiligen Situation im

Grenzabschnitt immer angemessen waren, das wurde aus meiner Sicht von den zuständigen

Untersuchungsorganen der DDR bewertet und später von bundesdeutschen Gerichten nach allen Regeln

ihrer Kunst ausführlich gewürdigt.

 

 

Die Sieger am Ende des Kalten Krieges begannen mit der juristischen „Aufarbeitung" der

Geschichte, während sie schon halfen, einen Bürgerkrieg in Europa anzuzetteln, um des

Kapitales Willen, das jetzt Freiheit heißt.

 

 

Gegen DDR- Bürger aus allen gesellschaftlichen Bereichen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Betroffen waren ca. 105.000 Personen. Anklage erhoben wurde in 1.663 Fällen gegen 1.540 Bürger der DDR.

Durch die Justiz der Bundesrepublik Deutschland wurden 786 Personen verurteilt, das sind ca. 50% der

Angeklagten, und 249 von ihnen sind Grenzer, also ca. 31%. Nicht zu vergessen sind die Demütigungen

während Haussuchungen und bei Gerichtsverhandlungen, die öffentlichen Vorverurteilungen in den Medien

und die entwürdigenden Strafen nach der Strafe!

 

Unser einziges Mittel dagegen waren Geradlinigkeit vor Gericht und Solidarität mit jedem Genossen.

 

Auch das zählt erwiesenermaßen zu unseren Tugenden.

 

In diesem Zusammenhang fallen mir Sätze von Rudi Strahl ein. Er meinte nach dem Anschluss der DDR

sinngemäß:

 

Wenn auch politische Umwälzungen noch so gewaltig sein mögen; Können bleibt Können und Charakter

bleibt Charakter. Wer was konnte, der kann dann immer noch was.

 

Wer ein Schweinehund ist, der war immer schon ein Schweinehund!

 

 

Wir, liebe Freunde, sind heute im Spätsommer, im Herbst oder im Spätherbst unseres Lebens angekommen

oder unmittelbar vor dessen Vollendung.

 

Wir wissen ganz genau: Es gab Licht und Schatten, aber trotz Alledem erlebten wir eine hoffnungsvolle Zeit

und einen Abschnitt Geschichte, der nicht wirkungslos bleiben wird. Nun ist es sozusagen fast geschafft.

 

Mit dieser Art des Rückblicks haben wir dennoch keinen Grund zur Selbstzufriedenheit,

denn Kinder sind da, Enkel und Urenkel auch...

 

Und so ist noch nicht Zapfenstreich für uns, denn um den lieben Frieden geht es, den wir

wertschätzen lernen durften in unserem Leben.

 

 

Herzlichen Dank für Eure geschätzte Aufmerksamkeit! Ich wünsche Gesundheit!